Kollektivismus: Kennzeichen & Indikatoren kollektivistischer Kulturen
In kollektivistischen Kulturkreisen werden individuelle Interessen denen der Gemeinschaft prinzipiell untergeordnet. Bei der kulturellen Orientierung Kollektivismus werden soziale Beziehungen in aller Regel über (individuelle) Leistungen gestellt. Einzelne Personen erfahren durch den Zusammenhalt in der Gruppe Schutz und Motivation, sind aber gleichzeitig aufgefordert und verpflichtet, sich ebenfalls treu und gehorsam gegenüber der Gruppe zu verhalten. Die Familie steht prototypisch für alle sozialen Organisationen und Gemeinschaften. Somit wird das „Wir“ vor dem „Ich“ betont. Im kollektivistischen Wertesystem gilt das Erlangen einer kollektiven Identität als erstrebenswert. Häufige Folge starker Gruppenzentrierung ist soziale Kontrolle, die Angst vor Sanktionen oder Gesichtsverlust auslöst. Harmonie in der Gruppe und in persönlichen Beziehungen ist ein wichtiges Gut und es gilt, Konflikte zu vermeiden und sich dem Gruppenwohl zu fügen bzw. unterzuordnen.
Personen aus kollektivistisch ausgerichteten Kulturkreisen werden eher als gemeinschaftlich orientiert und hilfsbereit wahrgenommen. Andererseits entsteht (vor allem aus individualistischer Perspektive) schnell der Vorwurf von Opportunismus und Mitläufertum. Die individuelle Freiheit und die Privatsphäre werden aus dieser Sicht ebenfalls als gefährdet angesehen. Weiterhin steht Höflichkeit vor Ehrlichkeit, d.h. individuelle Meinungsäußerung, die kritische Aspekte enthält, ist in aller Regel unerwünscht und entsprechend zu vermeiden.
Kollektivismus findet sich eher in Ländern mit großer Machtdistanz wie zum Beispiel Japan, weiten Teilen Asiens sowie Südamerika als auch in vielen afrikanischen Ländern als auch in großen Teilen der arabischen Welt. Demokratie und freie Marktwirtschaft gehen häufig auf individualistische Ansätze und Ideologien zurück, während kommunistische oder sozialistische Systeme eher eine politische Auswirkung von Kollektivismus sind.
Weitere Implikationen für Kollektivismus:
– Motivation wird über Zugehörigkeitsgefühle erzeugt
– Soziale Beziehungen werden höher gewertet als Leistung
– Konflikte werden als negative Sachverhalte gewertet
– Management ist in erster Linie Gruppenmanagement
– Beziehungen zwischen Unternehmern und Angestellten gelten als Familienbeziehungen
– Man legt Wert auf die erweiterte Familie und Verpflichtungen gegenüber Freunden
– Bei Einstellungen und Beförderungen werden Gruppenzugehörigkeiten bevorzugt
– Arbeit wird durch die Stärke von Beziehungen organisiert
– Es wird weniger Wert gelegt auf Anwendung standardisierter Regeln, Strategien und Methoden
– Man geht davon aus, dass Verträge nach Umständen modifiziert werden können
– Organisationen werden als Familien oder Gemeinschaften wahrgenommen
Literatur
Triandis, H. C. (1995): Individualism and Collectivism, Boulder: Westview.
Erll, Astrid / Gymnich, Marion (2010): Interkulturelle Kompetenzen. Erfolgreich kommunizieren zwischen den Kulturen, Stuttgart: Klett.
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