Kulturdimensionen - Geert Hofstede - Definition
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Kulturdimensionen – Geert Hofstede

Modell Kulturdimensionen nach Geert Hofstede (02. Oktober 1928 – 12. Februar 2020)

Kulturdimensionen: In der interkulturellen Forschung sind verschiedenen Ansätze verbreitet, die sich mit der Klassifizierung kultureller Differenzen beschäftigen. Die Ansätze unterscheiden sich in erster Linie darin, ob sie eher kulturrelativistisch ausgerichtet sind, d.h. auf eine Kultur bezogen und nicht vergleichend, oder eher universalistische Ausrichtung haben (einheitliche Indikatoren und Begriffe sowie Vergleichbarkeit von Kulturen).

Geert Hofstede war einer der bekanntesten Vertreter im Bereich Interkulturelles Lernen. In einer empirischen Studie mit mehr als 110.000 IBM-Mitarbeitern hat er Ende der 1960er Jahre anhand einer Faktorenanalyse das Modell der Kulturdimensionen entwickelt. Zunächst ermittelte er vier Hauptdimensionen (Machtdistanz, Kollektivismus/Individualismus, Maskulinität/Feminität und Unsicherheitsvermeidung) bevor er zu einem späteren Zeitpunkt noch eine fünfte Dimension (Langzeit-/Kurzeitorientierung) ergänzte. 2010 veröffentlichte Hofstede das Buch “Cultures and Organizations – Software of the Mind: Intercultural Cooperation and Its Importance for Survival”, in dem er mit Genus vs. Beschränkung eine sechste Dimension einführte. Die Studie bezog sich zu Beginn auf 67 Länder, wurde später ausgeweitet auf 76 Länder und letztlich (2010) für zwei Dimensionen (Langzeitorientierung/Kurzeitorientierung und Genuss/Zurückhaltung) auf 93 Länder ergänzt.

Kritische Würdigung des Modells

Sowohl der Ansatz der Studie als auch die Ergebnisse der Kulturdimensionen sind in den letzten Jahrzehnten kontrovers diskutiert worden. Der grundlegende universalistische Ansatz als auch die auf Punkte reduzierten Ergebnisse der einzelnen Länder sorgen bei vielen Vertretern der Geistes- und Kulturwissenschaft als auch bei vielen interkulturellen Trainerinnen und Trainern für Verwirrung. Auf der anderen Seite bietet das Modell der Kulturdimensionen viel Grundlagenmaterial, eine Fülle an unterschiedlichen Indikatoren als auch diverse Auswertungsmöglichkeiten für den Trainingsbereich und somit für interkulturelle Interaktionssituationen in privaten und beruflichen Kontexten. Die internationale GLOBE Studie (House et al.) bestätigt zudem zentrale Teile und Ergebnisse der Studie.

Die einzelnen Kulturdimensionen im Überblick

Kulturdimension Machtdistanz

Machtdistanz beschreibt das Ausmaß der Machtverhältnisse in einer Kultur und wie sie verteilt sind, sowie die Frage „Wie viel Ungleichheit darf und kann zwischen den Menschen herrschen?“ Anhand von hierarchischen Beziehungen, wie Eltern-Kinder, Lehrende-Lernende, Führungskraft- Mitarbeitende oder formalen Strukturen innerhalb von Organisationen wird die Ausgestaltung der Machtdistanz verdeutlicht. In Kulturen mit hoher Machtdistanz ist es üblich, dass Entscheidungsprozesse von „oben nach unten“ verlaufen und diesen Entscheidungen nicht widersprochen wird. Je geringer die Machtdistanz ist, desto partizipativer sind die Entscheidungsfindungsprozesse.

In mittel- und südamerikanischen Ländern (z.B. Venezuela und Mexiko) und asiatischen Ländern (z.B. Malaysia, Philippinen und Indien) wird ein hohes Ungleichgewicht der Machtverteilung akzeptiert (= „hohe Machtdistanz“), wohingegen in nord- und mitteleuropäischen Ländern sowie anglophonen Ländern (z.B. Dänemark, Deutschland, Schweiz, Großbritannien, USA und Australien) eine ungleiche Machtverteilung weniger geduldet wird (= „niedrige Machtdistanz“).

Kulturdimension Individualismus – Kollektivismus

Die zweite Dimension beschreibt das Verhältnis von Individualismus und Kollektivismus in der jeweiligen Kultur. Bezeichnet wird dabei das Ausmaß, inwiefern die Interessen eines Individuums denen der Gruppe untergeordnet sind (Kollektivismus, Wir-Gruppen Identität/traditionelle Gesellschaften) bzw. die Interessen eines Individuums über denen der Gruppe stehen (Individualismus, Selbstverwirklichung). In kollektivistischen Kulturen sind Gruppen und Familien in der Regel sehr groß und die Gruppenbindungen entsprechend stark ausgeprägt: Gegenseitige Treue wird erwartet und ist erwünscht. In individualistischen Kulturen steht hingegen die individuelle Selbstverwirklichung und die Kleinfamilie im Vordergrund. Kinder lernen in der Ich-Form zu denken (Kollektivismus in der Wir-Form).

Den Kulturdimensionen Individualismus/Kollektivismus sind weiterhin auch wichtige Kommunikationsstile zugeordnet: In individualistischen Kulturen ist dies low-context Kommunikation und in kollektivistischen Kulturen high-context Kommunikation.

Erfahren Sie hier mehr über diese beiden Kommunikationsstile:

Individualismus Defintion
© JeremyRichards /Fotlia

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Kollektivismus Definition
© panthermedia.net / Jiri Moucka

Kollektivismus: Definition & Indikatoren

Kollektivismus: Kennzeichen & Indikatoren kollektivistischer Kulturen In kollektivistischen Kulturkreisen werden individuelle Interessen denen der Gemeinschaft prinzipiell untergeordnet…weiterlesen

Kulturdimension Maskulinität – Femininität

Bei der dritten Kulturdimension handelt es sich um eine soziokulturelle Kategorie. Bei dieser Dimension wird u.a. der Frage nachgegangen, wer in einer Kultur für welche Aufgaben zuständig ist (Rollenverteilung). In femininen Kulturen – wie z.B. in den meisten skandinavischen Ländern – ist die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen eher gleichwertig aufgeteilt. Männer sind genauso für Haushalt und Familie zuständig und Frauen dürfen und sollen Karriere machen. Dagegen gibt es in Kulturen mit einer hohen Maskulinität eine klare Unterscheidung bei der Rollenverteilung zwischen Frauen- und Männerarbeit. Weiterhin orientieren sich die Mitglieder maskuliner Kulturen mehr an materiellen Gewinnen, hoher Leistungserwartung sowie Durchsetzungsvermögen („der Stärkere möge gewinnen“). Feminine Gesellschaften sind dagegen stärker beziehungs- und kooperationsorientiert.
In Europa sind Deutschland und Großbritannien stärker maskulin als beispielsweise Schweden, Dänemark (beide sehr gering) und auch Russland.

Kulturdimension Unsicherheitsvermeidung

Bei dieser Dimension geht es vor allem darum, wie mit unbekannten Situationen umgegangen wird. Mitglieder von Gesellschaften mit hoher Unsicherheitsvermeidung (z.B. Deutschland, Russland, Mexico) versuchen mithilfe von Analysen und Plänen Unbekanntes / Unsicheres vorhersehbar und kontrollierbar zu machen. Ordnung und Recht stehen im Vordergrund, ebenso existiert eine hohe Regelorientierung sowie größere Sorgen um Gesundheit und Geld. Ein wichtiges Kriterium für den beruflichen Kontext besteht in einer deutlich geringeren bzw. kaum vorhandenen Fehlerkultur sowie diversen Strategien, keine Fehler zu begehen. Unbekannte (ungeregelte) Situationen erzeugen Unbehagen bis hin zu Angst. Dahingegen wird Unsicherheit in Kulturen mit niedriger Unsicherheitsvermeidung meist eher hingenommen, es sollte weiterhin so wenig Regeln wie möglich geben und Sorgen um Gesundheit und Geld sind deutlich geringer ausgeprägt.

Kulturdimension Langzeitorientierung – Kurzzeitorientierung

Diese Dimension bezieht sich darauf, inwiefern Gesellschaften darauf ausgerichtet sind, eher auf kurzfristigen Erfolg oder auf langanhaltende Lösungen zu setzen. In langzeitorientierten Kulturen wie z.B. China liegt der Fokus auf dem Aufbau von persönlichen Beziehungen bzw. Beziehungsnetzwerken, die langfristig angelegt sind. Weiterhin wird hoher Respekt gegenüber höher gestellten Personen und älteren Menschen sowie auch gegenüber Traditionen gezeigt. In kurzzeitorientierten Kulturen legt man Wert auf Gewinn in kürzerer Zeit (1 Jahr und kürzer) und es gibt mehr gültige Richtlinien über das, was gut und böse ist.

Neue Kulturdimension Genuss – Zurückhaltung (seit 2010)

Die sechste Kulturdimension ist noch recht neu und beschreibt, wie innerhalb einer Gesellschaft mit der freien Auslebung der eigenen Bedürfnisse umgegangen wird. Dazu zählen u.a. die Fragen, wie genussorientiert die Freizeitgestaltung ist, wie offen Sexualität ausgelebt wird, ob buntere bzw. weniger bunte Kleidung getragen wird und ob eher ein optimistischerer bzw. pessimistischerer Blick auf die Zukunft besteht. In Kulturen mit stärkerer Beschränkung empfinden die Mitglieder eine stärkere Kontrolle über das eigene Leben: die Erhaltung von Recht und Ordnung hat eine hohe Priorität.

Quellen und Literatur

– Barmeyer, C. (2012): Taschenlexikon Interkulturalität. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
– Erll, A./Gymnich, M. (2007): Interkulturelle Kompetenzen. Erfolgreich kommunizieren zwischen den Kulturen. Stuttgart: Klett.
– Hofstede, G. (2001): Culture’s Consequenses. Comparing Values, Behaviors, Institutions and Organizations Across Nations. Thousand Oaks: Sage.
– Hofstede, G. (2017, 6. Auflage): Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. München: Beck.

Zur weiteren Ansicht: Kulturdimensionen im Vergleich unter https://geerthofstede.com/landing-page/

Wissensquiz zum Kuturmodell von Geert Hofstede

Hofstede Quiz

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